lautet der Titel unserer neuen Ausgabe von katharina life. Das ganze Heft steht im Kiosk zum Download bereit. Den Leitartikel lesen sie hier.

Geburten sind etwas ganz Besonderes. Bei unseren vier Kindern berührte uns jedes Mal zutiefst das Wunder, am Anfang noch winzig und unerkannt, verborgen im Mutterleib: ein neuer Mensch WIRD, kommt zur Welt, tritt schutz- und wehrlos in den Beziehungsraum und setzt darin fortan eigene Akzente.
Jeder Mensch ist ein Anfang, der sich mit seinen ureigenen Gegebenheiten, Ausdrucksformen und Freiheitsspielräumen immer neu einwebt in unsere Welt. Die jüdische Philosophin Hannah Arendt sieht ‚Geburtlichkeit‘ als Haupteigenschaft des Menschen. Sie denkt den Menschen von seinen Möglichkeiten und seinem Entwicklungspotenzial her. „Geburtlich leben“ meint für sie, in Beziehung mit anderen immer neu die Spielräume von Freiheit und Synergie auszuloten und so die Welt mitzugestalten.

Wie Gott auf die Welt kommt?
Vielleicht genauso: mittendrin, wo etwas neu anfängt im Beziehungsgewebe der Menschen, liebevoll, in Freiheit. Aufbrechen und Neu-Werden ist das biblische Grundmotiv: Alles beginnt mit dem „ES WERDE“ am Schöpfungsmorgen. Mit ihrem Exodus gehen die Israeliten in mehr Freiheit und größere Selbstbestimmung. Die prophetischen Bücher beschreiben Möglichkeiten, wie die Welt gerechter und menschlicher werden kann. In der Geburt Jesu zeigt sich, wie menschlich Gott DA ist und MIT uns lebt. Jesus verurteilt nicht, sondern begegnet den Menschen heilsam. Er nimmt jede Begegnung als Gelegenheit für neue, menschenfreundliche Anfänge. Mit Jesus leuchtet auf, wie göttlich alles wirklich Menschliche ist. Und wie menschlich Gott ist.

In unserer sichtlich geschüttelten Welt ist es Menschlichkeit, die überleben lässt und Hoffnung macht, dass es gut weitergehen kann auf unserem Planeten. Oft ganz überraschend wächst aus winzigen Anfängen freiwillige Solidarität, wenn ein aufmerksamer Blick genau hinschaut, sich nicht abfindet. So entstanden überwältigende Hilfsaktionen wie z.B. nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, die Fridays-For-Future-Bewegung und mutige Projekte von Menschenrechtsorganisationen zur Erhaltung der Menschenwürde. Dies alles sind „Geburten“, in denen nach religiöser Deutung Gott „drin“ ist und neu zur Welt kommt. Sie machen die Welt menschlicher und besser.

Von Geburt zu Geburt werden am Ende wir selbst das göttliche Kind zur Welt bringen

Vor einiger Zeit lief der Film „Von Menschen und Göttern“ im Kino. Die Mönche von Tibhirene, einem Trappisten-Kloster in Algerien, wurden am Heiligen Abend überfallen und bedroht von Islamisten. Christian, der Leiter des Konvents reflektiert anschließend das Ganze im Kreis seiner Mitbrüder: „Zurückgekommen von dem Überfall, der uns zu Tode erschreckte, feierten wir die Vigil zur Weihnacht. Wir haben dieses Kind begrüßt, das vor uns lag. So absolut schutzlos und doch schon so bedroht. Und dann kam der Alltag: Das Aufstehen an jedem Tag, das Arbeiten, unsere alltäglichen Aufgaben. Auch wir sind schutzlos zurückgeblieben. Und jeden Tag haben wir mehr erkannt, wozu wir hier sind und wozu wir von Jesus Christus eingeladen werden: „Es ist eine Geburt – unsere Identität als Mensch geht von Geburt zu Geburt. Und von Geburt zu Geburt werden am Ende wir selbst das göttliche Kind zur Welt bringen. Das ist das Mysterium der Fleischwerdung.“

Wie Gott auf die Welt kommt? Menschlich.

Lisa & Norbert Lepping, ktw