Seit vielen Jahren sind wir als Gemeinschaft mit den Philippinen verbunden … Petra Brenig-Klein und Chloe Garcera berichten uns über ihre ganz persönlichen Erfahrungen …

Ibayo ist ein Slum im Großraum Manila. Mittendrin hat Pia Gyger 1992 unsere „Greenhouse-School“ gegründet. Zuvor hatte sie in der Zen-Ausbildung in Japan Mila Golez getroffen und ihr von der Sehnsucht nach einem Begegnungsort für Arm und Reich erzählt. „Komm nach Ibayo“, lockte Mila. Und Pia und viele andere sind gekommen – einen Schritt näher – zum Lernen in der Begegnung: Wahrnehmen, was ist, nach Innen hören, teilen, was uns verbindet. Muster der jahrhundertelangen Kolonialisierung gefährden immer wieder schmerzlich die beiderseits ersehnte Augenhöhe. Unauflöslich bleiben wirtschaftliche Ungleichheiten. Doch wir erahnen die menschlich-spirituelle Wachstumschance.

Bald gibt es Gegenbesuche. Philippinische Frauen und Männer docken an unserer Spiritualität an, am Weg, die Welt ins Herz zu nehmen und die je eigene Einzigartigkeit in gegenseitiger Ergänzung zu entfalten. Und: über Konflikte nicht höflich hinwegzugehen, sondern sie ernst zu nehmen und einzuüben, was die Welt so dringend braucht. 1992 bittet Mila Golez als erste um die Aufnahme ins Katharina-Werk. Weitere Frauen und Männer aus dem Slum und der Mittelschicht folgen. Zunehmend wird klar, dass unsere europäischen Gepflogenheiten nicht eins zu eins in die philippinische Kultur passen. Als wir erkennen, dass sich die kirchenrechtlich-katholische Struktur nicht weiter für ein gleichberechtigtes Miteinander eignet, gründen wir 2004 in Basel als übergeordnetes Dach einen zivilrechtlichen Verein, dem alle angehören, unabhängig von ihrer Lebensform und ihrer jeweiligen religiösen Beheimatung.

Wirklich alle?! Wie sollten die Filippinos/as die uns so wichtig gewordenen gleichen Rechte und Pflichten mitvollziehen, wenn ihnen für gemeinsame Treffen die finanziellen Mittel fehlen? Würde ihre materielle Abhängigkeit nicht erschweren, die eigene Identität im Ganzen und einen ihrer Kultur angemessenen Weg der Weiterentwicklung zu finden? Auch die Idee, zwei gleichgestellt verlinkte Organisationen zu gründen, scheitert. Zu verschieden sind die Rechtssysteme. So kommt es schließlich zur eigenständigen Katharina Group Philippines (KGP) mit der gegenseitigen Zusage, den geschwisterlichen Weg weiter intensiv zu teilen.

Chloe Garcera hat das ktw 1997 kennengelernt, ab 1999 in Ibayo mitgewirkt und ist 2000 ins ktw eingetreten. Sie schaut zusammen mit Petra Brenig-Klein zurück, die seit 1988 dem ktw angehört und 1997 erstmals in Ibayo war.

Hier kommt das Gespräch zwischen Petra Brenig-Klein und Chloe Garcera-Ben in voller Länge

Hallo Chloe, wir kennen uns seit mehr als 2 Jahrzehnten und blicken doch das erste Mal auf unsere tiefe Freundschaft zurück.

Chloe: Ich lernte 1997 Mitglieder des Katharina-Werks kennen und schloss mich 1999 dem Projekt in Ibayo an. Um die Jahrtausendwende lebte ich einige Monate bei den SI-Schwestern in der Holeestraße in Basel. 2000 trat ich dem Äußeren Kreis bei und bin bis heute aktives Mitglied von KGP (katharina group Philippines).

Petra: Ich bin seit 1988 Mitglied im Katharina-Werk. Mein erster Besuch auf den Philippinen 1997 führte ebenfalls in den Slum von Ibayo.

Was ist deine erste Erinnerung an unsere Begegnung?

Chloe: Ich weiß, dass wir uns mehrmals bei unseren Besuchen in Europa im Gemeinschaftshaus in Basel getroffen haben, aber die früheste und bedeutendste Begegnung mit dir war, im Jahr 2000, als ich die Mitglieder und Familien des Katharina-Werks in der Region besuchte. Zu sehen, wie du die Spiritualität des ktw in deinem Familienleben lebst und wie du mit den anderen Katharina-Werk-Mitgliedern, die in der Nähe deines Wohnortes leben, umgehst, gab mir eine Vorstellung davon, wie ich die Spiritualität des ktw leben möchte, wenn ich auf die Philippinen zurückkehre.

Petra: Dein Besuch war auch für mich die erste intensive Begegnung mit dir. Ich fand es sehr aufregend, euch dich von den Philippinen bei uns zu Hause zu haben, gemeinsam am Tisch zu sitzen und unsere Lebensgeschichten zu teilen.

Was denkst du, waren die großen Herausforderungen in unserer Beziehung?

Chloe: Im Jahr 2005 war ich zutiefst verletzt, als die philippinischen Mitglieder der Gemeinschaft nach Basel eingeladen wurden und ich endlich begriffen hatte, dass wir, die philippinischen Mitglieder, in der neuen ktw-Struktur ausgeschlossen sind. Der Zusammenhang wurde uns ausführlich erklärt, und obwohl ich verstehe, dass dies rechtlich notwendig war, war es dennoch schmerzhaft, die Folgen der Änderungen in der ktw-Struktur zu erfahren. Wir mussten einfach den guten Absichten vertrauen, die zu dieser Entscheidung geführt hatten. Da war es hilfreich, dass, du, Sibylle Ratsch und Renate Put uns immer wieder versichert habt, dass die philippinischen Mitglieder trotz der Strukturänderungen eure Schwestern und Brüder bleiben werden.

Rückblickend betrachte ich es immer noch als eine Zeit des Segens, eine Zeit, in der Vertrauen und Offenheit aufgebaut wurden.

Petra: Damals habe ich die Tiefe deiner Verletzung wirklich nicht erfasst. Das tut mir heute sehr leid. Wir waren damals am Beginn eines großen Strukturwandels in unserer Gemeinschaft, als Renate Put und ich 2003 euch bei unserem Besuch in Manila die ersten Ideen für eine zukünftige Gestaltung unserer Beziehungen vorgestellt haben. Und es stimmt, wir haben die Philippinische Gruppe nicht einbezogen, um zu einer gemeinsamen Lösung für eine neue Art der Beziehung zu kommen. Diese Zeiten waren sehr herausfordernd und auch ich erlebte es als großes Geschenk, dass wir trotz allem einander vertrauten und unsere Beziehung wachsen konnte.

Was würdest du als „Highlight“ in unserer Geschwisterlichkeit bezeichnen?

Chloe: Im Jahr 2009 wurde Manila von einem schweren Taifun heimgesucht und das ktw sammelte Geld, um den Opfern des Taifuns zu helfen. Wir hatten nicht vor, erneut ein Projekt auf den Philippinen zu starten. Aber unser kleines Engagement, den Menschen in dem überschwemmten Dorf Banaba zu helfen, entwickelte sich zu einem großen Projekt, das von den Menschen selbst initiiert wurde. Mein Mann Raul und ich beteiligten uns an der Begleitung des Projekts. Es war nicht einfach für mich, da meine letzte Beteiligung an einem Gemeindeentwicklungsprojekt in Ibayo nicht gut ausgegangen war. Außerdem war es das erste Mal, dass ich mit Raul zusammen arbeitete und unsere Paardynamik erwies sich als sehr schwierig. Ich habe alle Schwierigkeiten überstanden, weil du und dein Mann Heinz mir (uns) all die Unterstützung und Ermutigung gegeben habt, die ich (wir) in dieser Zeit brauchten. Aber was mich am meisten beeindruckt hat, war, als du und Heinz Banaba besuchten – nicht als Gäste oder als Verantwortliche für die Beschaffung von Mitteln zur Unterstützung ihres Projekts, sondern als Freunde. Ich habe miterlebt, wie ihr und die Menschen in Banaba euch auf Augenhöhe begegnet seid. Das hat mich tief berührt. Ich habe das Gefühl, dass die enge Zusammenarbeit mit dir bei der Unterstützung des Projekts in Banaba uns die Möglichkeit gegeben hat, uns über unsere spirituelle Verbindung hinaus tiefer kennenzulernen. All dies hat zu der Beziehung beigetragen, die wir jetzt haben – Schwesternschaft und Freundschaft.

Petra: Du hast mir dazu den Weg geebnet. Ich wusste, dass ich mich auf deine fachliche Kompetenz verlassen konnte. Ich habe so viel von dir gelernt, als ich sah, wie du mit dem Banaba-Leitungsteam umgegangen bist. Und es hat mich beeindruckt, wie du und Raul – trotz aller familiären Herausforderungen – zusammengearbeitet habt und dass ihr euren Sohn Daniel, damals 4 Jahre alt, ganz selbstverständlich zu euren Projektbesuchen bei den Bewohnern des zerstörten Dorfes mitgenommen habt.

Was sind die Früchte unserer Beziehung?

Chloe: Ich habe immer gefühlt, dass eine Führungsrolle nicht meine Berufung ist. Ich war jedoch gezwungen, eine Führungsposition zu übernehmen, weil wir am Anfang nur sehr wenige Mitglieder in der KGP waren. Als Brücke zwischen KtW und KGP hast du alle unsere Kämpfe miterlebt, aber ich kann mich nicht an eine Situation erinnern, in der du eingegriffen hättest, wenn es sich eindeutig um ein Anliegen der KGP gehandelt hatte. Wenn du um Hilfe gebeten wurdest, hast du Feedback und Vorschläge gemacht, aber du hast nie versucht, unsere Konflikte zu lösen. KGP durchlief einen Geburtsprozess und du warst oft wie eine Hebamme für uns. In diesen schwierigen Zeiten wollte ich oft aufgegeben, aber du hast mir immer wieder Mut gemacht. Ich hoffe, dass niemand beleidigt sein wird, wenn ich sage, dass eine konkrete Frucht unserer Beziehung die KGP ist, die wir jetzt kennen.

Petra: Und bis heute hilfst du neueren Mitgliedern in der KGP dabei, in ihre Verantwortung hineinzuwachsen.

Ich habe unsere Beziehung nicht mit der Absicht oder der Erwartung begonnen, dass daraus eine Freundschaft oder gar eine geschwisterliche Beziehung werden würde. Sie wuchs langsam und unvorhergesehen. Zwar stimmte von Anfang an die ‚Chemie‘ zwischen uns, aber dein Vertrauen war die Basis, auf der unsere Freundschaft wachsen konnte!

Chloe: Eine weitere Frucht unseres Weges sind unsere Paarbegegnungen. Seitdem wir uns zu viert alle 6 Wochen online treffen, hat sich eine starke Beziehung zwischen uns entwickelt. Wir haben zum Teil heftige Paardynamiken durchlaufen und können sowohl starke Gefühle als auch unsere verletzlichen Seiten zeigen.

Petra: Ich bin immer noch erstaunt über diese Entwicklung.

Was sind unsere Schlussfolgerungen?

Chloe: Es macht mir Freude zu erkennen, dass wir aus verschiedenen Ländern und Kulturen kommen, aber die Spiritualität des Friedens und der Versöhnung uns zusammengebracht hat. Wir haben einen langen Weg zurückgelegt und die vielen Herausforderungen, die sowohl ktw als auch KGP durchlaufen haben, miterlebt und überstanden. Da der Geist des Friedens und der Versöhnung gerade heute an Bedeutung gewinnt, mögen wir uns auf diesem Weg weiterhin gegenseitig inspirieren und unterstützen. Ich werde immer dankbar sein für das Geschenk der Geschwisterlichkeit und Freundschaft, das wir jetzt haben.

Petra: Das empfinde ich genauso. Mir ist bewusst, dass unser Fundament unserer Spiritualität ist und wir in unseren Gemeinschaften eingebettet sind. So viele Menschen haben uns unterstützt. Sie halfen uns beim Nachdenken, ermutigten uns bei der Bewältigung unserer Aufgaben, stärkten uns in schwierigen Situationen.

Wir freuen uns über unseren Weg und wünschen vielen, solch eine Freundschaft über alle Grenzen hinweg.