Die grösste Bedrohung – eine positive Gelegenheit!

«Sogar die grösste Bedrohung, die gerade über die Menschheit heraufzieht, ist eine positive Gelegenheit. (…)  Meinen Optimismus habe ich als demütige Schülerin unseres lebenden Universums, unserer lebenden Erde entwickelt und immer wieder bestätigt gefunden. Unsere lebendige Erde zeigt uns den Weg aus unserer Pubertätskrise in eine reife, globale menschliche Zukunft. Deshalb wiederhole ich, dass die grössten Krisen, denen wir gegenüberstehen, die wundervollsten Herausforderungen und unsere grössten Gelegenheiten sind, um die Welt zu erschaffen, von der wir träumen.»[1]

Solche eine hoffnungsvolle, ich möchte fast sagen, prophetische Stimme ist Elisabeth Sathouris, eine amerikanische Evolutionsbiologin und Zukunftsforscherin, die mich bereits mit ihren Forschungen vor 30 Jahren beeindruckt hat. Sie stellte fest, dass wir mit mindestens drei grossen Krisen konfrontiert sind, die miteinander verflochten sind; die Energiekrise, die ökonomische Krise und die Klimakrise. Unsere Rettung ist, dass alle Menschen auf unserem Globus davon betroffen sind. Alle sind wir herausgefordert, unsere gesamte Lebensweise auf der Erde neu zu betrachten, neu auszurichten und neu zu gestalten.

In ihren Forschungen beschreibt Sathouris mehrere solcher Krisen in der Evolution, die das Leben immer wieder an die Grenzen seiner Existenzmöglichkeiten gebracht hat, bis es letztendlich in einem tastenden Voranschreiten einen Ausweg gefunden hat und das Leben weiterging [2]. Als Menschheit stehen wir in einer ähnlichen Situation: Wir haben in den letzten Jahrhunderten unsere Verschiedenheit und Individualität in stark egozentrierter Weise entfaltet und gepflegt. Jetzt treiben uns unsere Krisen dazu, eine neue, globale Gemeinschaft zu entwickeln, die mit einem höheren Mass an Komplexität und Einheit arbeitet, wie wir es noch nie in der Menschheitsentwicklung erlebt haben. Wir entwickeln uns von einer konkurrierenden, aggressiven Jugendphase zu einer kooperativen Erwachsenenphase. «Der einzige Unterschied ist der, dass wir in eine Periode der bewussten Evolution eintreten. … Wir sind die erste Spezies, die in der Lage ist zu erkennen, dass wir unsere Evolution durch alles, was wir tun, beeinflussen – Evolution durch Entscheidung, nicht durch Zufall. Man könnte in der Tat sagen, wir sind die Evolution, die sich ihrer selbst bewusst wird.» So argumentiert die vor zwei Jahren verstorbene Barbara Marx Hubbard, ebenfalls eine grande Dame der Bewusstseins- und Zukunftsforschung. Und sie fährt fort: «In jeder Phase der menschlichen Entwicklung sehen wir eine Erweiterung des Bewusstseins, der Verbundenheit, der Wahlmöglichkeiten und der Identität. (….) Der einzelne Mensch ist nicht mehr nur seiner selbst oder seiner Umgebung, seiner Kultur und seiner Religion bewusst. Sein Bewusstsein ist vielmehr verbunden mit einem umfassenderen Feld der universellen Intelligenz und der universellen Empathie.»[3]

Was heisst das konkret für uns:

Jede und jeder von uns ist dieser einzelne Mensch, der eine hohe Verantwortung dafür hat, wie das Leben auf unserem Planeten weitergeht.

Vielleicht ängstigt uns unsere Situation. Aber wir sind dieser Angst nicht ausgeliefert. Wir haben beispielsweise wunderbare Möglichkeiten auf den Wegen unserer Spiritualität, einer kontemplativen Praxis oder täglicher Übungen zur Achtsamkeit, die uns helfen , unsere Ängste und unsere Trägheit zu transformieren, Wege, die uns Ausrichtung, gegenseitige Unterstützung und Begleitung schenken. Wir haben die Freiheit und die Wahl, unsere Vision von der Zukunft zu leben. Wir können unsere Bereitschaft erneuern, immer wieder Neues zu lernen und uns dem anstehenden Wandel zu öffnen. Wir können die damit verbundene Hingabe aktivieren und ja dazu sagen, dass in uns ein weltzentrisches Bewusstsein wächst. Wir können immer neu erfahren, dass wir eins und verschieden sind, verbunden und gleichzeitig einzigartig. Wir sind Teil einer Weg-Gemeinschaft, in der wir üben können, üben, üben, üben! Wir können an unseren je eigenen Orten unsere Verbundenheit pflegen, unsere Weg-Gemeinschaftserfahrungen vertiefen und das einüben, was die ganze Menschheit so sehr benötigt: ein neues Bewusstsein und ihm entsprechende Strukturen. Im Katharina-Werk haben wir uns dazu vom Konzept der Soziokratie inspirieren lassen und entdecken, wie wir nochmals neu Verantwortung und Entscheidungsprozesse teilen können. An vielen anderen Orten nehme ich rund um den Globus ähnliche Aufbrüche wahr. Wer immer sich auf diesen Lernprozess einlässt und ihn im je eigenen Maß in seinem Leben konkret werden lässt, ist ein Segen für andere, für unsere Erde und für die ganze Menschheit.

Hildegard Schmittfull

 

 

 

[1] Evolve, Magazin für Bewusstsein und Kultur, 1, Winter 2014, S 47

[2] Gaia, Vergangenheit und Zukunft der Erde, 1994

[3] Evolve, Nr 2, Juni 2014, Im Sog der Zukunft, wie Evolution erfahrbar wird, S 50 – 51;