Stell dich auf die Füsse, Mensch!
„Manchmal stehen wir auf
stehen wir zur Auferstehung auf
mitten am Tage
mit unserem lebendigen Haar
mit unserer atmenden Haut.“
So schreibt Marie-Luise Kaschnitz in einem bekannten Gedicht.
Und manchmal stellt es mich auf! Da bricht ein Angriffskrieg aus, der in einem solchen Maß willkürlich angezettelt und brutal ist, dass alles in mir dagegen revoltiert und sich aufstellt zum Widerspruch und zur Solidarisierung mit den Opfern. Solches Aufstehen mitten im Leben ist ein Aufstand gegen Todesmächte.
Die Gedichtzeilen von Marie-Luise Kaschnitz verbinden ein Aufstehen mit Auferstehung, die mich verwandelt und a u f -gehoben sein lässt mit alldem, was mich ausmacht.
So werden die biblischen „Aufstehgeschichten“ (z.B. von der gekrümmten Frau und der Tochter des Jairus) immer auch als Auferstehungsgeschichten gelesen, weil diese Heilungen in eine neue Lebendigkeit und ein neues Leben führen, heraus aus der Enge des Todes.
Das eigentlich weihnachtliche Bild des Meisters von Autun zeigt etwas Ähnliches: die drei Könige stecken unter einer Decke auf ihrem von einem Stern gewiesenen Weg, und einer öffnet gerade die Augen, weil ein Engel ihn aufweckt, indem er ihn am kleinen Finger berührt. Eine großartige Bildidee, die zeigen möchte, wie einer kleinen Berührung eine wahrhafte Aufsteh- und Auferweckungsenergie innewohnen kann.
Im Ersten Testament beginnt für den Propheten Ezechiel sein Engagement für Gott und die Menschen mit dem Aufstehen. Nachdem er bei seiner ersten Begegnung mit Gott zunächst auf sein Gesicht gefallen war, fordert ihn DIE STIMME auf: „Stell dich auf die Füße, Mensch; ich will mit dir reden.“ (Ez 2,1) Und als Gott das zu ihm sagt, kommt Geist in ihn und stellt ihn auf die Füße. Von da an handelt er als neuer Mensch. Eines der stärksten Zeichen für ein solches neues, aufgewecktes, auferstehendes Leben ist für die Theologin Dorothee Sölle die Praxis der Solidarität: “Wo Solidarität geschieht, da ist Auferstehung. Wenn wir die Neutralität des Schweigens brechen und die Komplizenschaft mit dem Unrecht verlassen, dann beginnt das neue Leben. Menschen, die zuvor unsichtbar und vergessen waren, werden selbstbewusst und finden ihre Sprache. Sie stehen für ihre Rechte auf, und dieses Aufstehen, dieser Aufstand ist ein Zeichen der Auferstehung.”
„Stell dich auf die Füße, Mensch!“ und schmecke von dem, was die Bibel „Auferstehung“ nennt.
Lisa und Norbert Lepping