„Ich bin die Zukunft, die ewig lebt“
Ein Beitrag von Heidi Rudolf über die Auferstehungshoffnung im Lichte interreligiöser Erfahrungen (erschienen in der frz. Ausgabe der Zeitschrift Weltweit)
«Und als die Menschen dachten, mit Ihm sei alles vorbei, da stand Er von den Toten auf, wie ein Blitz, mit weissen Gewändern, weiss wie Schnee, aber Er erschien wie eine Feuerflamme! Die Menschen, die das sahen, erstarrten vor Schreck. Aber zu denen, die glaubten, sagte Er, dass im Bereich Gottes nichts stirbt, weder Samenkorn, noch Tropfen, weder Staub, noch Mensch. Nur die Vergangenheit stirbt oder die Gegenwart stirbt, aber die Zukunft lebt ewig. Und: Ich bin die Zukunft der Menschen. Für mich war Sein und Nicht-Sein immer eines. Ich war immer, und ich war nie»! So schreibt Gopal Singh in seinem Büchlein «Der Mensch der niemals starb», wie der Mensch, alle Menschen, zum Leben berufen sind, weil «…jeder, der tot ist, muss vom Tode auferstehen…»
Diese Worte von Jant Gopal Singh, dem Sikh-Mystiker, Philosophen, Lyriker und Botschafter aus Indien über Jesus haben mich über viele Jahre immer wieder in schwierigen Situationen – nicht nur persönlichen, sondern auch welt-gesellschaftlichen – begleitet und gestärkt.
Ich erfahre immer wieder, wie Auferstehungserfahrungen anderer Religionen mir helfen diese nicht mit dem Kopf erfassbare Wirklichkeit meinem Herzen, meinem Glauben näherbringen und als nicht mit Händen fassbare Wirklichkeit einnisten zu lassen. Dann bleibt es kein «Schönwetterglaube», sondern die innere Erfahrung trägt durch, auch wenn die Hoffnung durch schreckliche Lebensumstände völlig zu schwinden droht. Und so kann in allem tiefen Schmerz von Verlust die Zuversicht wachsen, dass die Verbindung bleibt, über diese letzte Grenze hinaus: weil Gott ein Gott des Lebens ist, weil Er uns schon vor unserer Geburt getragen und erkannt hat, und dies auch nach dem letzten Übergang weiter tun wird.
Ich erinnere mich noch immer an eine Erfahrung in Bosnien vor ein paar Jahren. Muslimische Frauen von Srebrenica baten mich mit ihnen nach Tuzla zu fahren zu einem Tunnel, in dem die sterblichen Überreste von rund 2500 noch nicht identifizierten männlichen Angehörigen in blauem UN-Plastik auf Gestellen lagerten. Keine der Frauen wusste, ob einer ihrer Angehörigen dabei war. Und ich konnte nicht nein sagen auf die Frage, ob ich mit ihnen hineinkommen würde. Kaltes, blaues Licht, immer wieder die Berührung mit den Gebeinen. Einige Frauen sackten zusammen. Und danach: rund drei Stunden gemeinsames Gebet, angeleitet von einer Theologin – schreien zu Gott, der dies zuliess, Verzweiflung – und mit der Zeit wurde es immer gesammelter, leiser. Und plötzlich, wie ein inneres Aufbrechen: Lob Gottes. Die Kraft dieser rund 300 Frauen war erschütternd. Und am Tag darauf war ihnen klar – auch wenn nicht alle identifiziert sind: «Wir wollen sie jetzt anständig nach muslimischer Art in Würde begraben. Und wir wollen zurückkehren und hoffen auf eine Zukunft für die Kinder, die uns geblieben sind». Sie haben immer wieder die Hoffnung ausgedrückt, ihren Liebsten einst im Paradies wieder zu begegnen, auch wenn wir alle wissen, dass das Paradies nur ein Bild von etwas ist, das wir nicht kennen und beschreiben können.
Nicht umsonst wünschen wir in den drei abrahamitischen Religion unseren Verstorbenen RIP «Ruh in Frieden». Es ist ein Ruhen auf die Auferstehung hin, ein Ruhen, und kein endgültiges Sterben. Im Glauben an Gott, an den Ewigen und an Allah können wir uns mit gewissem Glauben auf das uns Unbekannte einlassen, auf die Zukunft, in der wir ewig leben werden. Heidi Rudolf