Eine Erzählung

WolfDie Erzählung von den zwei Wölfen: Eines Abends erzählte ein alter Cherokee-Indianer seinem Enkelsohn am Lagerfeuer von einem Kampf, der in jedem Menschen tobt. Er sagte: „Mein Sohn, der Kampf wird von zwei Wölfen ausgefochten, die in jedem von uns wohnen. Einer ist böse. Er ist der Zorn, der Neid, die Eifersucht, die Sorgen, der Schmerz, die Gier, die Arroganz, das Selbstmitleid, die Schuld, die Vorurteile, die Minderwertigkeitsgefühle, die Lügen, der falsche Stolz und das Ego. Der andere ist gut. Er ist die Freude, der Friede, die Liebe, die Hoffnung, die Heiterkeit, die Demut, die Güte, das Wohlwollen, die Zuneigung, die Großzügigkeit, die Aufrichtigkeit, das Mitgefühl und der Glaube.“ Der Enkel dachte einige Zeit über die Worte seines Großvaters nach, und fragte dann: „Welcher der beiden Wölfe gewinnt?“
Der alte Cherokee antwortete: „Der, den du fütterst.“

Die Kraft dieser alten Erzählung beeindruckt mich immer wieder tief. Sie erzählt vom Kampf Gut gegen Böse. Diese beiden Mächte werden dargestellt als zwei Löwen, die im Inneren des Menschen miteinander kämpfen. Und Ich habe es in der Hand, wer von beiden den Sieg davontragen wird.

Wieso sind Erzählungen wie diese für Menschen so wichtig? Warum ist das Erzählen mehr als das Artikulieren netter Geschichten? Inwiefern hilft das Erzählen, das Leben zu verstehen, zu ordnen und zu bewältigen – individuell, gemeinschaftlich bzw. kulturell? Es zählt eben nicht, was ge-zählt, sondern was er-zählt werden kann.

Wir sind umgeben von „Erzählungen“, von „Narrativen“, wie es die modernen Sozialwissenschaften nennen. „Als Narrativ wird eine sinnstiftende Erzählung bezeichnet, die Einfluss auf die Art hat, wie die Umwelt wahrgenommen wird“, weiß Wikipedia. Ein solches aktuelles Narrativ lautet: Mehr Waffen werden den Frieden herbeiführen. Viele Medien bedienen sich dieses Narrativs, das sich tief in uns festsetzt. Wir zählen die Waffen des Gegners und erhöhen unsere Anzahl entsprechend. Dieses Narrativ macht mich zunehmend hilflos.

Jesus setzt dem eine andere Erzählung entgegen und erzählt die Geschichte mit der hinzuhaltenden Wange. Aber auch die macht mich hilflos. Wie soll das funktionieren?

„Welcher der beiden Wölfe gewinnt?“ Der alte Cherokee antwortet: „Der, den du fütterst.“