Nichts ist mehr, wie es war

Nichts ist mehr, wie es war

Alljährlich im Frühling erinnern wir uns an das Leiden und Sterben Jesu und feiern wie «Jesus vom Tod auferweckt wurde und auf(er)standen ist»:

Drei Tage voller Turbulenzen.
Jesus feiert mit seinen Nächsten und Liebsten das abendliche Mahl.
Später am Ölberg schwitzt er vor lauter Angst und böser Ahnung.
Der Engeltrost scheint nicht viel geholfen zu haben.
Einer geht hin, verrät ihn mit dem Kuss der Freundschaft.
Es beginnt ein unsägliches, qualvolles Leiden.
Vor dem Sterben am Kreuz der Schande.
Jünger und Apostel sind ab;
Frauen halten bei ihm aus:
Mit lautem Schrei,
Von Menschen und Gott verlassen – so scheints – stirbt Jesus.

Nun bebt die Erde, kein Stein bleibt auf dem anderen.
Im Tempel zerreisst der Vorhang zum Allerheiligsten.
Nun ist das Allerheiligste – der Gottesraum — grenzenlos offen für alle.
Tot vom Kreuz genommen,
tot ins Grab gelegt für drei Tage, heisst es.
Und dann in aller Herrgotts frühe: Ein Weckruf.
Nichts ist mehr wie es war…

Die Weggefährt*innen Jesu erlebten eine physische und psychische Achterbahnfahrt: Schock, Todesnot, Abschied, Trauer und doch keimte vielleicht so etwas wie Hoffnung auf am neuen Morgen. Ein Weckruf, ein Wandel?  Ihnen stand eine grundsätzliche Lebensentscheidung bevor, ob die Botschaft Jesu ihrem Leben Sinn und Fülle geben kann. Viele haben sich dafür entschieden. Nach bestem Wissen schrieben sie ihre Erfahrungen auf. So kam die Botschaft Jesu zu uns.

Hilde Domin erzählt von Menschen, die durch einen Tunnel während der Tag- und Nachtgleiche gehen. Einige schauen zurück: und sagen «Fürchte dich nicht, es blüht hinter uns her». Den vielen, vielen Weggefährt*innen Jesu durch die Jahrhunderte kann ich nur dankend sagen: Die Botschaft Jesu blüht immer noch hinter euch her!

Wir hören manchmal herausfordernde Weckrufe «aufzustehen», ob persönlich oder auch menschheitlich global. Meine Herausforderung ist, aufzustehen aus meiner Ohnmacht, aus dem Ausgeliefert sein an die Symptome meiner Krankheit. Manchmal gelingt «Aufstehen», manchmal nicht. Es ist auch eine spirituelle Entscheidung alltäglich in ein Neues – wie auch immer – aufzustehen und das sterben lassen, was sterben muss und will.

Meine vergangenen Jahre waren und sind geprägt von Krankheit und alt werden. Jeden Tag aufstehen. Jeden Tag alle Kräfte einsammeln, um je neu diesen einen nächsten Schritt zu tun. Auch in dem Bewusstsein, der nächste Schritt, die nächsten Stunden oder auch Tage könnten wegen möglicher Komplikationen meine letzten sein. Es lebt sich manchmal sehr schwierig in dieser Endgültigkeit, vor allem auch, weil ich zeitweise voller Elan bin und lustvoll Pläne schmiede…bis zum nächsten oder übernächsten Tag, der mich meine Endlichkeit radikal spüren lässt.

Sterben und Tod sind nah «und von grossem Ernst». Ich übe alltäglich leben und sterben. Eine Imaginationsübung hilft mir dabei: Ich sitze auf einer Strasse, ganz im Hier und Jetzt; vor mir ein Tor, ein Nebeltor (ein solches sah ich auf meinem Jakobsweg) und schaue es an; versuche hindurch zu schauen – aber eben ein Nebeltor. Je nachdem wie es mir geht, bin ich weiter weg vom Tor, oder auch näher. Näher zum Weiterleben, näher zum Tod? Nichts und niemand sagt mir, was dahinter ist oder sein könnte. Und was ich auch bereit wäre zu glauben oder gar für wahr zu halten. Vielleicht, vielleicht wird es … licht…Und vielleicht, vielleicht blüht es auch ein bisschen hinter mir her.

Leben und Sterben sind Zeit unseres Lebens ineinander verwoben. Nach jedem kleinen, manchmal notwendigen Tod, wenn Altes sterben muss, kann Neues wachsen. Es ist eine Hoffnung stiftende Auferstehungsspiritualität, die ermöglicht, sterben zu lassen, was sterben muss und je neu bereit ist aufzustehen.

Renate Put, ktw