„Kraft schöpfen – gerade jetzt“

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Ein Erfahrungsbericht aus den Exerzitien

Als ich meiner Freundin mitteilte, dass ich zu Exerzitien wegfahre, reagierte sie mit den Worten: »Schweigen ist eine wundervolle aber auch sehr herausfordernde Art, Bewusstsein zu reinigen-klären-neuordnen.»  Sie wünschte mir ‘gute Andacht’ – auch so ein altes Wort!

Exerzitien sind mir seit der Jugend vertraut, aber es nahm mich doch wunder, was Wikipedia dazu angibt:

‘Exerzitien sind geistliche Übungen und ein stiller Rückzug, um Gott und sich selbst näherzukommen.’

Die Tage in Freiburg-Günterstal waren mit dieser Definition deckungsgleich!

Der Mittwoch war demAnkommen gewidmet. Es gabeinheiteres Wiedersehen in vertrautem Rahmen. Das Haus St. Benedikt ist für das Katharina-Werk schon länger eine Art Ersatz-Zuhausengeworden, seit es dasBasler Gemeinschaftshaus an der Holeestrasse nicht mehrgibt. Der Jahres-Kurs findetin Günterstalstatt, die Feiern zur Wintersonnwende und zum wiederholten Mal  Exerzitien. Wir sind hier gut aufgehoben in den angenehmen Zimmern, den hellen Räumen, der grünen Umgebung. Und  für das leibliche Wohl wird fein gesorgt.

Wir waren in diesen Tagen eine Gruppe von knapp 30 – überwiegend Frauen – und wurden gleich in der ersten Einheiteingeladen zum Austausch in Dreiergruppenmit der Frage nach unserer Motivation und unseren Zielen für diese Stille-Tage.

Der erste Impuls am Mittwoch zeigte die verschiedenen Facetten des Ankommens auf und machte bewusst, dass diese Phase bedeutsam ist und sorgsame Beachtung verdient. Damit geschah zugleich der Übergang ins Schweigen.

Die folgenden 3 Tage waren durch eine klare Struktur gegliedert.

Kontemplation und Meditation mit Einstieg in den Tag gaben die Zusage: wir dürfen immer wieder neu beginnen, der Tag liegt offen vor uns mit all seinen Möglichkeiten, wir  sammeln uns ein im Atem, um mit dem Göttlichen in Beziehung zu kommen.

Nach dem Frühstück die Körperachtsamkeitsübungen. Wir wurden behutsam zum Wahrnehmen unseres Leibes geführt mittels einfacher, bewusst ausgeführter Atmung und Bewegung. Wie wohltuend!

Für mich war der tägliche Impuls wie Manna! Das Thema unserer TageKraft schöpfen- gerade jetzt wurde aufgefächert in folgende Aspekte:

wahrnehmen, was ist

ernstnehmen, was ich brauche

schöpfen und vertrauen

Dazu möchte ich nur ein paar persönliche Gedanken nennen, denn die Fülle, die wir bekamen,  war riesig und bei jeder und jedem von uns erzeugten die Vorträge eine unterschiedliche Resonanz. Was jedoch für alle Impulse galt: es waren Zeugnisse von erfahrenen und erlittenen Auseinandersetzungen mit biblischen Inhalten, Zeugnisse auch von grossem persönlichem Engagement und reichen Lebenswegen.

wahrnehmen, was ist

Wahrnehmung ist auf unsern Körper angewiesen – es gibt allerdings auch die innere Wahrnehmung

Wir nehmen durch einen individuellen (meist unbewussten) Filter wahr und sind aufgefordert, unsere Wahrnehmung zu überprüfen und sie zu schärfen. Momente der Stille, des Innehaltens (Sonntag!) können dazu helfen.

ernst nehmen, was ich brauche

Ein Kleinkind äussert sehr direkt, was es braucht!

Wissen wir, was wir brauchen? Nehmen wir unsere Bedürfnisse wahr? Gestehen wir ein, dass wir bedürftige Wesen sind? Wagen wir zu unseren Bedürfnissen zu stehen und uns für deren Befriedigung einzusetzen?

schöpfen und vertrauen

In der Bibel gibt es viele Beispiele, die auf Quellen hinweisen: Begegnung am Jakobsbrunnen; Jesus, das lebendige Wasser; Gottes unendliche Fülle und Liebe.

Wo sind unsere  Quellen? Es gilt sie zu pflegen, damit sie nicht versiegen.Wirdürfen auf die göttliche Kraft vertrauen undkönnen Quelle sein für andere.

Nach den Impulsen blieb Zeit zum Nachklingen und Nachsinnen.

Wir hatten in diesen Tagen Glück mit dem Wetter und konnten während den ausgedehnten Mittagspausen in der schönen Waldgegend spazieren oder in einer Ecke des Klostergartens verweilen.

Unsere persönliche Besinnungszeit fand dann im Gottesdienst einen Kristallisationspunkt. Alle, welche die katharinischen Gottesdienste kennen, wissen, dass Gesang, Musik, Gebet, Rituale, Einbezug des Körpers dazu gehören. Es sind Feiern um die achtsam gestaltete Mitte mit Kerzen und Blumen: Feiern, bei denen stets alle Teilnehmenden einbezogen werden durch einen persönlichen Beitrag, sei es durch Gesten oder Worte. Es sind Gottesdienste, die berühren, die direkt ansprechen, stärken und nähren.

Die abendliche Austauschrunde war eigentlich optional, tatsächlich fanden wir uns fast immer vollzählig ein. Diese Stunde erwies sich als ein kostbares Teilen von Erfahrungen und als bereicherndes Miteinander, in welchem auch Schmerzliches und Tränen aufgehoben waren, wo uns nicht nur das eigene, sondern das Leid in unserer Welt bewusst war.

Mit einer Meditation und dem Segen gingen wir in die Nacht.

Der Sonntagmorgen war demAufbrechen gewidmet. Es wurde nochmals eingesammelt, was im Kraftfeld unseres Zusammenseins lebendig geworden war. Wir wurden ermutigt zum Schritt hinaus in den Alltag.

Dem Aufbruch ging das Einsammeln und Verdichten voraus. Grosse Dankbarkeit war das  zentrale Feedback in der Runde. Ein herzlicher Dank an das Leitungsteam – Lisa, Norbert, Helena, Sibylle, Hildegard – das einen Rahmen geschaffen hatte, in welchem grosse Freiheit und Gehaltensein  möglich waren, in welchem Humor und Ernsthaftigkeit, Schmerz und Freude ebenso Platz fanden.

Ein Schlussritual liess dieses Kraftfeld nochmals erfahren und uns gestärkt aufbrechen.

Margrit Kunz-Bürgler

Anfang September 2025